EXKURSIONEN

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in eigener Sache

Ausflug zu den urgeschichtlichen Bauern des Unterengadins

Wanderung, Familienausflug, Schulreise:
zwei- oder mehrtägig, bei kurzer Anfahrt auch eintägig möglich.

Hauptziel:

Ramosch mit seinen eindrücklichen Ackerterrassen, die bis in urgeschichtliche Zeit zurückgehen und dir Mottata, ein bronze- und eisenzeitlicher Siedlungsplatz auf markanter Kuppe.
Anfahrt mit Bahn bis Scuol-Tarasp und von dort mit Postauto bis Ramosch (Fahrtdauer von Bern bis Ramosch 5 h)

Weitere Möglichkeiten:

Wanderung über Tschlin (weitere Ackerterassen) nach Martina oder über Vnà zurück nach Ramosch
Besuch der Dörfer Sent, Schuls (Scuol, alter Kern), Ardez und Guarda.
Wanderung längs der sicher schon urgeschichtlich begangenen Route über den Fimberpass (Fengapass, 2608 m) ins Paznaunertal (Österreich) von Ramosch bis Ischgl rund 8 h (von Ischgl mit Postbus und Bahn Rückreise über Feldkirch in die Schweiz).

Blick von Crusch gegen Ramosch und die Mottata. Typische Ackerterrassen.

Ramosch ist ein Ort, dessen Kirche schon um 930 bezeugt ist. Man hat unter dem heutigen spatgotischen Bau von 1522 eine Saalkirche mit drei Apsiden ausgegraben. Ausser der Kirche, sollten wir in Ramosch unbedingt auch der sehr imposanten Burgruine Tschanüff einen Besuch abstatten. Die Burg ist 1256 erbaut worden. Unser Hauptinteresse bei dieser Wanderung gilt jedoch den Ackerterassen, dem urgeschichtlichen Siedlungsplatz Mottata und den uralten Wegverbindungen. Die markanteren Terrassen, die nordöstlich vom Dorf den Hang hinauf steigen, sind Zeugen des Ackerbaus seit dem Mittelalter. Ihre Form weist auf Pflugbau hin. Im obersten Bereich nahe dem Sattel und auf dem Sattel neben der Mottata selbst finden sich weniger ausgeprägte Terrassen. Sie stammen mindestens zum Teil aus urgeschichtlicher Zeit und man nimmt an, dass sie durch Hackbau verbunden mit

Abrechen der Ackerflächen entstanden sind. Diese Art Terrassen sind nicht nur hier, sondern in einem weiteren Bereich des flacheren Hanges zwischen 1400 und 1600 m. ü. M. zu finden. Es ist durch pollenanalytische Untersuchungen (Blütenstaub aus Bodenproben) nachgewiesen worden, dass dieses höher gelegene Gebiet bereits in der Jungsteinzeit beweidet worden ist und dass man seit der Bronzezeit hier oben Getreide und Lein angebaut hat. Auch Funde und Ausgrabungen weisen darauf hin, dass seit der Bronzezeit in der höheren Zone Siedlungen bestanden haben. Diese Zone auf der Sonnenseite des Tales bot das bessere Wirtschaftsgebiet als der durch Überschwemmungen gefährdete Talboden oder die steileren, damals dicht bewaldeten Hänge.

Diese Skizze zeigt die Lage der historischen Ackerterrassen am Hang und der prähistorischen Ackerterrassen ganz oben beim bronze- und eisenzeitlichen Siedlungsplatz Mottata. Nach A. Raba, Inneralpine Terrassenlandschaft (vgl. Literaturnachweis unten).
Prähistorische Ackerterrassen neben der oberhalb an die Mottata anschliessenden Kuppe "Fortezza". Im Hintergrund der nach rechts ins Etschtal führende Reschenpass.

Der Siedlungsplatz Mottata auf einem markanten, felsigen Kopf, der gegen den Inn fast senkrecht abfällt, ist 1953 entdeckt und durch Grabungen 1954 und 1956-58 eingehend erforscht worden. Eine gute Übersicht gibt der unten zitierte Ausgrabungsbericht von B. Frei. Eine eingehendere Analyse der Ausgrabungsresultate durch L. Stauffer ist leider nicht publiziert.
Die ältesten Siedlungsreste stammen aus der mittleren Bronzezeit (15. Jh. v. Chr.). Es sind Herdstellen festgestellt worden, und etwas höher gelegen auch Pfostenstellungen (Steine, mit denen die Pfosten nach dem Setzen in den Aushublöcher verkeilt wurden oder auch Unterlagssteine für Pfosten) sowie Steinreihen, die vermutlich die Fundierung von Hauswänden bildeten. In einem Fall deuteten sie auf ein quadratisches Haus von rund 6 bis 7 Meter Seitenlänge hin (vgl. Abb. unten).

Die Spuren der späten Bronzezeit, der sogenannten Laugener- oder Melaunerkultur, zeichneten sich deutlicher ab. Es handelte sich wiederum vor allem um Pfostenstellen und einige Mauer- oder Fundamentreste. Es liess sich eindeutig ein Pfostenhaus von 10 auf 7 bis 9 Meter Grösse feststellen. Ein weiterer Hausgrundriss von 16 auf 8 Meter Grösse, den B. Frei aus den Spuren in einer darüber liegenden Schicht glaubte rekonstruieren zu können, ist nach Ansicht von L. Stauffer nicht gesichert. Aus der Zeit des Uebergangs von der Spätbronze- zur Eisenzeit stammt rotbrauner Brandschutt, der auf der Ostseite der Grabung festgestellt worden ist.

Plan der Mottata mit Bauten der jüngeren Eisenzeit. Nach JbSGU 47, 1958/59, S.35, Abb. 1.
Grundriss des mittelbronzezeitlichen Hauses mit Herdstelle. Nach JbSGU 47, 1958/59, Taf. 7B.
Im Vordergrund die Südwestecke des grossen, quadratischen Hauses aus der jüngeren Eisenzeit, im Hintergrund der Mauerwinkel unbekannter Funktion aus der älteren Eisenzeit. Nach JbSGU 47, 1958/59, Taf. 6A.

Die Baureste aus der Eisenzeit waren am markantesten. Die Funktion eines Mauerwinkels von 2 Metern Breite aus der älteren Eisenzeit ist nicht klar, von einem quadratischen Haus aus der jüngeren Eisenzeit (Fritzens-Sanzeno Kultur, 4. Jh. v. Chr.) fanden sich hingegen genügend Elemente um sich ein recht anschauliches Bild davon machen zu können. Es kamen nicht nur die dicken Trockenmauern, sondern auch 4 regelmässig angeordnete Unterlagssteine für Ständer im Innern, sowie die Trockenmauern eines kleinen Vorbaus zum Vorschein. Die Mauern hatten innen ein Vorfundament, worauf vielleicht ein Holzboden auflag, möglicherweise aber auch Holzwände standen. Letzteres würde bedeuten, dass die Trockenmauern nur den Schutz des unteren Teiles des Hauses darstellten. Es ist anzunehmen, dass das Haus mit Steinplatten gedeckt war. L. Stauffer hält es für möglich, dass das Haus zwei Stockwerke besass.
Ein zweites kleineres Gebäude, das ausgegraben

worden ist, dürfte zu gleicher Zeit bestanden haben. Das grosse Haus war nach dem Verlassen abgebrannt.

Wie kam es zur wiederholten Besiedlung dieses scheinbar abgelegenen Platzes und warum erlangte Ramosch schon früh Bedeutung. A. von Planta, der mit grosser Akribie und ausgezeichneter Beobachtungsgabe die historischen Wege in Graubünden erforscht hat, weist darauf hin, dass hier eine wichtige Route vom Südtirol via Reschenpass und dann über den Fimberpass zum Bodensee vorbeiführte. Seine Argumente sind überzeugend, wenn auch die Datierung ganz bestimmter, im Gelände noch sichtbarer Spuren alter Wege in ur- oder frühgeschichtliche Zeit nicht unbedingt immer zutreffen muss. Der Weg von Tschlin an der Mottata vorbei hatte bis in neuere Zeit seine Bedeutung behalten. Das der Mottata benachbarte Festungswerk "Fortezza" aus der Zeit der Bündner Wirren im frühen 17. Jh. zeugt z.B. davon.

Die vermutlich uralte Route aus dem Süden über den Reschenpass und den Fimberpass zum Bodensee. Sie erklärt, weshalb Ramosch schon früh Bedeutung erlangte.

In den massgeblichen Kreisen ist man sich bewusst, dass die Terrassenlandschaft von Ramosch, deren Wurzeln in die Zeit der Siedlungen auf der Mottata zurückgehen, als historisches Zeugnis und als Kulturgut erhalten und gepflegt werden muss. Ein Problem ist, dass das Gelände verbuscht und - wie die Stiftung Landschaftsschutz zu Bedenken gibt - die markanten, kulturgeschichtlich bedeutenden Konturen verwischt werden, die der Landschaft durch die jahrhundertelange Bewirtschaftung verliehen wurden.

Die Stiftung hat deshalb mit der Gemeinde, dem Kanton und der Genossenschaft Gran Alpin ein Projekt lanciert, das dieser Entwicklung Einhalt gebieten soll.
Die Ackerterrassen von Ramosch waren auch Gegenstand einer historischen und ökologischen Studie (Dissertation von A. Raba), die vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der Wissenschaften unterstützt wurde.

Ackerterrassen ob der Strasse von Sent nach Crusch. Geht die Verbuschung weiter, verschwinden die Konturen dieser die Landschaft prägenden Kulturzeugen.

Zudem ist die Einrichtung eines «Sortengartens» in Ramosch geplant, ein Projekt der Gran Alpin zur Förderung der Saatgutgewinnung von alten Getreidesorten.

Sprechen wir von Kulturgut, das es zu erhalten gibt, müssen wir natürlich auch auf die verschiedenen, sehr reizvollen Dörfer mit einem reichen Bestand an alten Engadinerhäusern aufmerksam machen, auf Sent, den alten Kern von Schuls (Scuol), Guarda, Ardez, um nur einige davon zu nennen.

Am Kirchenhügel von Schuls fanden übrigens Ausgrabungen statt, die Siedlungsreste aus den selben Perioden wie auf der Mottata von Ramosch zutage gefördert haben.
Wer sich für romanischen und vorromanischen Kirchenbau interessiert, findet im Unterengadin auch verschiedenste interessante Beispiele.

Engadinerhaus in Ardez.
Im 12. Jh. neu erbaute und seit dem 17. Jh. nicht mehr benützte Kirche in Sent. Die romantische Kirchenruine, einst eine befestigte Anlage, steht auf einem Felsen im westlichen Teil des Dorfes.

Literaturhinweise:

Frei, Benedikt, Die Ausgrabungen auf Mottata bei Ramosch im Unterengadin 1956-1958, in: Jahrbuch der Schweizerischen für Urgeschichte, 47, 1958/59, S. 34 - 43.

Könz, Jachen U., Das Engadiner Haus, Schweizer Heimatbücher; 47/48: Bündner Reihe, Bd. 2, Bern 1994.

Raba, Angelika, Historische und landschaftsökologische Aspekte einer inneralpinen Terrassenlandschaft, Inauguraldissertation zur Erlangung der Doktorwürde an der Geowissenschaftlischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, 1996.

Planta, Armon, Verkehrswege im alten Rätien, Bd. 3, Chur 1987.

Stauffer-Isenring, Lotti, Die Siedlungsreste von Scuol-Munt Baselgia, Antiqua 9, Basel 1983.

Zürcher, Andreas, Urgeschichtliche Fundstellen Graubündens, Chur 1982.

Text und Fotos: archaeoforum